16 Stationen. Wanderungen im Remstal

Station 8+9: Schorndorf bis Winterbach

Station 8: Schorndorf
schneider + schumacher, Frankfurt am Main
Geokoordinaten: 48.815261, 9.513349

schneider + schumacher, Schorndorf, Foto: Andreas Denk

Einen Tetraeder aus Brettschichtplatten hat das Büro schneider + schumacher in einer Weinlage am Grafenberg im Nordwesten von Schorndorf konstruiert. Das pyramidale Gebilde ruht wie die hier üblichen Weinberghäuschen auf einem Bruchsteinsockel. Von der Bergseite erscheint das „Prisma“, wie die Architekten es genannt haben, als spitzes Dreieck. Von hier aus ist es schräg seitlich durch einen hochrechteckigen  schmalen Schlitz begehbar. Der signalrot eingefärbte Innenraum auf dreieckigem Grundriss endet in einer breiten, über die ganze Länge geöffneten ebenfalls schlitzartigen Öffnung, die einen Rundblick auf Schondorf und das Remstal eröffnet. Zwischen der Projektbeschreibung der Architekten, die zahlreiche Bezüge zum Gesamtprojekt und zur räumlichen Wirkung des Objekts postuliert, und der ausgeführten Fassung bestehen beträchtliche Unterschiede. Insbesondere befremdet die banale Funktion als Unterstand und Ausguck, die in dieser landschaftlich schönen Situation auch mit bedeutend weniger Materialaufwand hätte umgesetzt werden können. Im Vergleich mit den benachbarten Fachwerk-Weinberghäuschen wirkt der Tetraeder groß und klobig. Der brachiale Eindruck wird durch einen überdimensionierten Mülleimer gesteigert, den die Kommune offenbar in Erwartung zahlreicher und heftig konsumierender Gäste direkt vor dem Gebilde montiert hat. Insofern ist der beste Blick hangaufwärts auf die offene Pyramide, weil er die Schräge der Frontpartie im Einklang mit der Steigung des Weinbergs und der Linienführung der Rebenreihen zeigt.

schneider + schumacher, Schorndorf, Foto: Andreas Denk

Station 9: Winterbach
Burger Rudacs Architekten BDA, München
Geokoordinaten: 48.798049, 9.462771

Burger Rudacs Architekten; Winterbach, Foto: Andreas Denk

Südlich von Winterbach steht auf der Gemarkung Weihwasser auf einer Wiese am Hang ein hoher Tempel. Vier zurückspringende Platten bilden eine runde Treppe und damit den Sockel des Bauwerks. Fünf reliefierte Stützen ragen, auf den Stufen aufsetzend, in schlichter Eleganz sieben Meter leichthin in den Himmel und tragen die spiegelbildliche Entsprechung des Podiums als Decke oder Dach. Das – nicht mehr und nicht weniger – ist der „Weiße Monopteros“ von Birgit Rudacs und Stefan Burger, „ein Ort für Aussicht und Einsicht, für Solos und Duette, für Träumer und Sterngucker, für Liebende und sich Küssende, für sich Verlobende und sich Bejahende“, haben die Architekten geschrieben.

Burger Rudacs Architekten; Winterbach, Foto: Andreas Denk

Burger Rudacs Architekten; Winterbach, Foto: Andreas Denk

 

Betritt man das Bauwerk, wird das menschliche Maß des Tempels durch Schritt und Blick bewusst. Die dreifältigen Stützen lenken und leiten paarweise den Blick: ins Tal hinab, auf den benachbarten alten Baum, auf die Streuobstwiese darum herum, in den Wald. Die Architektur konditioniert den Betrachter, vermittelt zwischen dem Augenblick und der Umgebung. Es zeigen sich gerahmte Bilder, die die Wahrnehmung auf sich konzentrieren und das Erlebnis de Moments intensivieren. Tritt man zurück, die Treppe und den Hang, den gewundenen Weg hinab, verschwimmt das Detail des Monopteros und übrig bleibt vor dem hellen und dunklen Grün der Natur der Eindruck eines fast leuchtenden Artefakts von großer Schönheit. Nicht mehr…und nicht weniger…
Andreas Denk

Andreas Denk erforscht in seinem architektonischen Reisetagebuch die 16 „Stationen“ im Remstal und kommentiert die architektonischen Erzeugnisse, die die ungewöhnliche Gartenschau im Schwäbischen hervorgebracht hat. Die bisherigen Stationen finden sich hier:
Station 0: Im Remstal. Ein architektonisches Reisetagebuch
Station 1: Essingen
Station 2+3: Mögglingen bis Böbingen an der Rems
Station 4+5: Schwäbisch Gmünd bis Lorch
Station 6+7: Plüderhausen bis Urbach

Remstal Gartenschau 2019
bis 20. Oktober 2019
Die meisten Gartenschauflächen sind zu jeder Zeit für die Gartenschau-Besucher geöffnet.
Weitere Informationen unter:
www.remstal.de

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