Ein Streifzug während des Lockdown

Telemuseen

Während die Museen momentan vorsichtig wieder öffnen, werfen wir einen Blick zurück auf ihre Aktivitäten während der Schließzeit. Mit verschiedenen Online-Angeboten haben sie ihre Inhalte in die Öffentlichkeit getragen – und werden dies wohl auch weiterhin tun, da vorerst nur der Ausstellungsbetrieb wieder möglich ist, nicht jedoch Veranstaltungen. Wie also funktioniert ein digitales (Architektur-)Museum, das vorübergehend nicht mehr auf das unmittelbare Erleben und Erfahren vor Ort bauen kann?

Bei diesen Maßnahmen handelt es sich naturgemäß um kurzfristige Ersatz-Programme, die mit vorhandenen Ressourcen und wenig zusätzlichem Budget aufgesetzt wurden. Es lässt sich also kein umfassendes Angebot erwarten wie es beispielsweise das Städel Museum bereits lange vor der Corona-Krise mit dem Kurs „Kunstgeschichte Online“ vorgelegt hat.

Architekturzentrum Wien, #wiewircoronawohnen, Screenshot: Instagram

Architekturzentrum Wien, #wiewircoronawohnen, Screenshot: Instagram

Eine grundlegende Aufgabe von Museen besteht im Sammeln – auch und vor allem in dieser historischen Zeit, hat sich dies das Architekturzentrum Wien vorgenommen. Direktorin Angelika Fitz wendet sich in einem Selfie-Video an die virtuellen Besucherinnen und Besucher und bittet darum, unter dem Hashtag #wiewircoronawohnen Impressionen der aktuellen Mehrfach-Codierung der eigenen Wohnung zu teilen und damit den Stoff für künftige Forschungen und Ausstellungen zu liefern. Außerdem meldet sich das Az W einmal täglich in den sozialen Medien mit seinem #AzWDecameron, einem kurzweiligen Einblick in die eigene Sammlung anhand von Anekdoten.

Vitra Design Museum, Live-Talk zwischen Mateo Kries und Alexandra Daisy Ginsberg, Screenshot: Instagram / YouTube

Vitra Design Museum, Live-Talk zwischen Mateo Kries und Alexandra Daisy Ginsberg, Screenshot: Instagram / YouTube

Im Vitra Design Museum läuft zufällig momentan die passende Ausstellung „Home Stories. 100 Jahre, 20 visionäre Interieurs“. Dazu gibt es einen sehr informativen, ästhetischen Ausstellungsfilm von Anfang März, dem man anmerkt, dass er vor der Schließung entstanden ist, weil er fast zu neugierig macht auf das „echte“ Erlebnis. Eine Handyführung durch die Ausstellung „Typologie. Eine Studie zu Alltagsdingen“, die parallel in der Galerie des Museums gezeigt wird, produziert dagegen charmant-unperfekte Bilder, die an den eigenen, zeitweise herumirrenden Blick beim Gang durch eine Ausstellung erinnern. Seiner gesellschaftlichen Verantwortung wird das Vitra Design Museum gerecht, indem sich Direktor Mateo Kries mit wechselnden Gesprächspartnern zu Instagram-Live-Talks verabredet, um unter anderem über den Beitrag von Design zur Problemlösung in Krisenzeiten zu sprechen. Bisherige Gäste waren Alexandra Daisy Ginsberg, Balkrishna Doshi, Johann König und Alice Rawsthorn.

Deutsches Architekturmuseum, Kurator Jonas Malzahn über die Ausstellung „Die Neue Heimat“, Screenshot: Facebook / YouTube

Deutsches Architekturmuseum, Kurator Jonas Malzahn über die Ausstellung „Die Neue Heimat“, Screenshot: Facebook / YouTube

Das Deutsche Architekturmuseum fokussiert sich bei der Online-Kommunikation auf die Ausstellung über den Wohnungsbaukonzern „Neue Heimat“, die am 13. März zu Beginn des Lockdowns gleichzeitig eröffnet und direkt wieder geschlossen wurde. In wohl portionierten Film-Häppchen geben Direkter Peter Cachola Schmal und Kurator Jonas Malzahn Einblicke in ausgewählte Kapitel: zum Beispiel über die Rolle des Planers Ernst May oder über einige Großwohnsiedlungen im Raum Frankfurt. Hilde Strobl, Kuratorin des kooperierenden Architekturmuseums der TU München, hat aus dem dortigen Homeoffice ebenfalls einige Videos aufgenommen, unter anderem zur Kritik am Städtebau der Neuen Heimat. Überblendet werden Sprecherin und Sprecher von historischem Filmmaterial und Detail-Ansichten der Ausstellung, die die Informationen erläutern und illustrieren. So ist dieses inhaltsbasierte, lehrreiche Angebot im positiven Sinne nah dran an einem Online-Kurs.

Kishō Kurokawa, Nakagin Capsule Tower, Tokio, Japan 1970–1972, Foto: Noritaka Minami, 2012

Kishō Kurokawa, Nakagin Capsule Tower, Tokio, Japan 1970–1972, Foto: Noritaka Minami, 2012

Es ist zu hoffen, dass sich die Museen die Kreativität und Experimentierfreude im digitalen Raum auch in Zukunft bewahren. Mit Sicherheit muss bei normalem Betrieb nicht mehr jeder Talk gestreamt werden, doch für ein grundlegendes Online-Angebot sind sicher viele Besucherinnen und Besucher dankbar. Die zum Teil angezeigten geringen Zugriffszahlen trügen, da die Inhalte auf verschiedenen Plattformen parallel verbreitet werden. So dient YouTube vor allem der Archivierung, während die Videos hauptsächlich über Facebook und Instagram verfolgt werden. Ausstellungsteaser, wie sie sich auch vor Corona bereits zu etablieren begannen, können werben, informieren und auch denjenigen einen Einblick geben, die es – aus welchen Gründen auch immer – nicht in die Ausstellung schaffen. Denn die wird es immer geben.
Maximilian Liesner

Titelbild: Karl Lagerfelds Monte Carlo Apartment (mit Entwürfen von Memphis), Monaco, ca. 1983, Foto: Jacques Schumacher

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